Ein langes und spannendes Gespräch mit unserem BW96 Ehrenmitglied Heinz Niemeyer

Wie Tischtennis ein großer und wichtiger Teil eines Lebens werden kann.

Interview mit Heinz Niemeyer, geboren 1937 in Schenefeld, Vereinsmitglied seit 1952, Ehrenmitglied seit April 2012, ehemaliger Deutscher Nationalspieler im Tischtennis.

Dieses ausführliche und intensive Interview führte Thomas Dobberstein.

Frage BW96: Lieber Heinz, der Tischtennis-Sport hat Dich weit gebracht. War es von Anfang an Deine Sportart?

Heinz Niemeyer: Nein, wie viele Jungs in den Nachkriegsjahren wollte ich unbedingt Fußball spielen. Als 10-Jähriger habe ich bei den alten Munitionsschuppen aus dem 1. Weltkrieg mitgebolzt, wenn ich die anderen draußen gehört habe. „Nur im Tor“ hab‘ ich dann gesagt, wenn ich erwischt wurde, denn damals musste ich eigentlich ein Jahr lang mit offener TBC streng Ruhe bewahren bis zur Heilung. Vielleicht ging es ja so auch etwas schneller.

BW96: Wie kam bei der Begeisterung denn dann der Wechsel zum Tischtennis zustande?

Heinz:  Mein Bruder Horst und ich waren bei Schenefeld Schwarz-Weiß 51, die 1958 mit Blau-Weiß fusionierten, und haben auf dem damals gerade von Flüchtlingen aufgebauten Platz an der Gorch-Fock-Straße gespielt. Ede Gretzki und seine Leute hatten das Heide-Grundstück dafür freigegeben bekommen. Ich trage immer schon eine Brille, damals war es eine Spezialanfertigung mit Drahtgestell. Mit ungefähr 17 Jahren hatte ich bereits zum zweiten Mal in einem Kopfball-Duell den Ellenbogen des Gegners am Kopf zu spüren bekommen. Der gerade in die Siedlung gezogene Hausarzt Dr. Wittenhagen hat mir die Splitter aus den Augen gewaschen und mir mitgeteilt, dass er keinen Fußballer kenne, der als 30-Jähriger noch vernünftig laufen könne. Er selbst spielte … genau: Tischtennis. Also haben Horst und ich das auch mal probiert. Tischtennis hat fortan immer eine wesentliche Rolle in meinem Leben gespielt.

BW96 Ehrenmitglied Heinz Niemeyer im Garten des Hauses in Schenefeld, in das er 1937 hineingeboren wurde.

BW96: Aber es gab doch noch keine Halle dafür, oder?

Heinz: Nein, gespielt haben wir so in den Jahren 1955-58 im Gasthof Lühmann im Tanzsaal. Im Jahr 1958 haben wir dort auf ziemlich glattem Boden einen Vorgabepokal gespielt, d.h. pro Klassenunterschied wurden zu Beginn des Satzes 3 Punkte vorgegeben. Der Platzhirsch war damals Rot-Weiß Hamburg aus der Oberliga, wir bekamen als Verbandsligist also 6 Punkte vor. Als es für R-W u.a. wegen Standschwierigkeiten eng wurde, ordnete der Mannschaftschef an, seine Spieler sollten barfuß spielen. Wir gewannen 9:7, später gegen Sperber den Pokal und stiegen als ‚Die Tanzparkett-Mannschaft‘ in die Stadtliga auf.

BW96: Waren das demnach richtig gute Jahre?

Heinz: So und so. Einerseits starb unser Vater 1956, aber andererseits schaffte ich 1957 das Abitur auf dem Christianeum, auf das er mich unbedingt bringen wollte. Es folgte mein Studium in Hamburg und München, wo ich die wunderbare Gelegenheit hatte, mit Conny Freundorfer zu trainieren, dem 9-maligen Deutschen Meister. Bei Blau-Weiß übernahm ich von Gründungsmitglied Günther Höhner die Abteilungsleitung Tischtennis mit 21 Jahren.

BW96: Und sportlich?

Heinz: Kamen spannende Jahre. Mit Gagel als Trainer und Nummer 1, mir an 2, Horst an 3 sind wir in die erste Stadtliga Saison gegangen und haben uns gehalten. In der Folge haben wir Spieler wie Bodo Hinkelthein hinzugeholt und sind noch stärker geworden. Meine 1959er Bilanz als Nummer 1 waren 35:1 Siege in der Stadtliga.

BW96: Bist Du immer bei Blau-Weiß 96 geblieben?

Heinz: Ja und nein, das ist kompliziert. Selbst aus München bin ich mit dem Bus zu den Punktspielen angereist. Der Verein hat das Ticket bezahlt. 1960 gab es dann eine Vereinsübergreifende Idee, neben Rot-Weiß noch eine zweite Hamburger Mannschaft in die damals höchste Spielklasse Oberliga zu bringen. Dafür haben wir beim HSV einige Topspieler Norddeutschlands versammelt.

BW96: Hat BW96 Wege gefunden, die Stadtliga zu halten?

Heinz: In der Saison habe ich erst noch 3 Monate bei Blau-Weiß gespielt und geholfen, den Klassenerhalt früh zu sichern, danach 3 Monate Sperre in Kauf genommen und in der zweiten Saisonhälfte zu den Aufstiegsspielen war ich HSVer. Vorher haben wir aber noch den 20-jährigen Manne Gerloff zu BW96 gelotst, um Ersatz zu schaffen. Schenefeld hat die Stadtliga gehalten.

BW96: War der Schritt zum HSV erfolgreich?

Heinz: Unbedingt. Auch wenn wir nicht sofort den Aufstieg schafften. 1963 war es so weit und 1964 sind wir als Norddeutscher Vizemeister mit Zimbo Michalek, Czichowski, Niemeyer, Budzisz, Faden und Gerdes bei den Deutschen Dritter geworden. In den Jahren 62/63/64 wurde ich jeweils Hamburger Meister und einmal Deutscher Hochschulmeister mit Michalek im Doppel gegen die renommierten Eberhard Schöler und Hans-Wilhelm Gäb.

Mein in der Erinnerung bestes Spiel war 1961 gegen die Nummer 1 von Tennis Borussia Berlin, Wolfgang Prandke, der einen Monat zuvor bei der Weltmeisterschaft in Peking der stärkste Deutsche war. Ich verlor Satz 1 chancenlos, hatte dabei aber eine Rückhandschwäche ausgemacht, die ich in den beiden Folgesätzen nutzen konnte und überraschend gewann.

Höhepunkt jedoch war die Europameisterschaft 1962 in Berlin, wo ich im Einzel, Doppel und Mixed für Deutschland spielen durfte. Mit Ulla Paulsen haben wir sogar 2 Runden überstanden.

Ohne Leidenschaft läuft nichts!

BW96: Und Ende der Saison 1964 bist Du zurück nach Schenefeld?

Heinz: Ich war ja nie ganz weg, habe hier auch trainiert und ein wenig organisiert. Und 1966 haben wir tatsächlich auch mit BW96 den Aufstieg in die Oberliga geschafft, dann gab es aber noch die Bundesliga oben drüber. Bis 1972 haben wir stets gegen den Abstieg gekämpft und es immer geschafft, meist durch Siege über Rot-Weiß.

Zum Glück hatten wir mit Willi Hoffmann einen Unterstützer, der einen Pritschenwagen aus seinem Bierverlag z.B. für die Auswärtsfahrt nach West-Berlin zur Verfügung stellte. Hinten eine Gartenbank quer drauf und los.

Dem Verein bin ich bis heute treu geblieben, bis ca. 2012 war ich noch aktiv dabei. Damals hat Jörn Timm die Abteilung übernommen, der macht das gut!

BW96: Ganz herzlichen Dank, lieber Heinz Niemeyer! Was für eine spannende Sportgeschichte. Gibt es einen Merksatz für Dich, mit dem Du Deine Erfolge möglich machen konntest?

Heinz: Ja. Ohne Leidenschaft läuft nichts!

PS BW96: In einem zweiten Erzählstrang durfte ich noch viel Schönes über Karin, Heinz Ehefrau erfahren:

Karin und Heinz Niemeyer

Kennengelernt haben sich die beiden 1960. Sie war als Tischtennisspielerin auch einige Jahre bei BW96 aktiv. Vor allem habe „diese Schönste in ganz Hamburg, ist ja klar“ ihn beim Tischtennis längst überrundet.

Ihre körperliche und mentale Fitness brachten ihr 1990 die erste Gesamtdeutsche Meisterschaft als Seniorin, die Doppel-Weltmeisterschaft der Seniorinnen-50 mit Ev-Kathleen Zemke 1992 in Dublin und 2015 in Tampere/Finnland die Europameisterschaft im Seniorinnen-75-Einzel!

Verdienter Siegestrunk nach Karin Niemeyers Gewinn der Deutschen Meisterschaft Seniorinnen 1990 gegen Vizeweltmeisterin Gabriele Geisler.